8. Ausgrabungskampagne Frühjahr 2010

Im Frühjahr 2010 konzentrierte sich unsere Grabungsarbeit auf das inzwischen 1750 m2 große Areal I im Nordwesten des Talls, um die Struktur der Wohnbereiche und deren handwerkliche Einrichtungen weiter zu erforschen. Dieser Bereich bot für das Handwerk besonders geeignete Bedingungen, denn der täglich um die Mittagszeit von Westen herkommende auflandige Wind ermöglichte das Betreiben von auf Wind angewiesenen Öfen. Im Laufe der letzten Kampagnen und besonders im Frühjahr 2010 konnten spektakuläre Einsichten in die Glas-, Fayence-, Quarzfritte-, Metall- und Farbstoffverarbeitung auf dem Tall Zira'a gewonnen werden.

Tall Zira'a am Ende der Frühjahrskampagne 2010

Klassische Perioden
Bei den sechs klassischen (hellenistisch, römisch, byzantinisch) Strata konnte der Zusammenhang von Areal I mit dem benachbarten Areal II, in dem diese sechs Schichten schon umfassend untersucht worden waren, hergestellt werden. Der nördliche Teil des Tall (unser Areal II, der natürlicherseits am besten geschützte Teil des Talls) war der Siedlungskern während der klassischen Epochen. Dieser reichte bis in den nord-östlichen Teil des Areal I und zog sich von dort vermutlich bis zur Quelle. Nur in der byzantinischen Zeit bedeckte die florierende Siedlung das ganze Tall-Plateau (einschließlich Areal I und III). In hellenistischer Zeit wurden im Bereich des Areal I viele große Vorratssilos errichtet.

Eisenzeit
Während der Frühjahrskampagne 2010 wurden weitere Handwerkerhäuser der alttestamentlichen Zeit ausgegraben. Die Häuser der klassisch alttestamentlichen Zeit (Eisenzeit II A und B, ca. 1020 bis 720 v. Chr.) im nördlichen Bereich von Areal I waren durch die Eingriffe der hellenistischen und byzantinischen Periode (Fundamente von Häusern, Getreidesilos und Abfallgruben) teilweise zerstört. Daher war die tiefer liegende Eisenzeit I (ca. 1200 bis 1020 v. Chr.) weitaus besser erhalten. Innerhalb eines Hauses konnten eine Feuerstelle, präzis zugehauene Arbeitssteine verschiedener Funktionen und Artefakte freigelegt werden, die auf eine Produktion von Glas oder Fayence schließen lassen. Ablagebänke und steinerne Arbeitsflächen, ein flaches zweigeteiltes Keramikbecken mit einem runden Durchlass, mehrere Teile eines größeren Fayence-Kästchens, ein Fayence-Knauf und ein Rollsiegel aus Quarzfritte komplettieren neben den Funden von Rohglas und Schlacke den ehemaligen Arbeitsbereich der dort siedelnden Handwerkerfamilie.

Bronzezeit
In Areal I hatten wir 2008 auf einer Fläche von 1000 m² die jüngste Phase der späten Bronzezeit freigelegt. Die Architektur der spätbronzezeitlichen Stadt beeindruckte mit mehreren Hofhäusern, einer Kasemattenmauer und einem Torkomplex mit großem Turm, der einen als Tempel eingerichteten Raum besaß. Im Norden des Areals I wurde 2008 ein besonders massiv gebautes Haus angeschnitten. Im südwestlichen Raum dieses Hauses konnten 23 Rollsiegel, ein Silberamulett und zahlreiche Glasperlen geborgen werden. Seit 2009 wird dieser Komplex weiter erforscht und soll bis 2011 vollständig ausgegraben sein. In der Frühjahrskampagne 2010 wurde der 150 m² große, sorgfältig mit kleinen Steinen gepflasterte Innenhof freigelegt.

Inzwischen konnten innerhalb der spätbronzezeitlichen Stadtanlagen sieben, z.T. mit runden Steinplatten abgedeckte, Silos ausgegraben werden, die im Trockensteinmauerwerk ausgeführt waren. Sie hatten eine Tiefe von 2,60 m bis 3,30 m und waren am Boden mit dicken Lehmpackungen ausgekleidet. Vergleichbare Vorratssilos waren bisher nicht bekannt und sie geben in ihrer Größe und Ausarbeitung Zeugnis von dem Reichtum der Bevölkerung.

Wasserkanal und einige gemauerte Silos der Spätbronzezeit

Im mittleren Teil des Areals I wurden mit einem Tiefschnitt die Auffüllschichten, die in der Spätbronzezeit zur Terrassierung nach einem Hangrutsch eingebracht worden waren, weiter verfolgt. Mehr als 10 Erd- und Steinschichten wurden bisher ausgegraben. Der nicht in Mitleidenschaft gezogene innere Teil des Areals I lässt einen kontinuierlichen Übergang der Siedlungsabfolge bis in die mittlere Bronzezeit (ca. 1800-1500 v. Chr.) vermuten. Eindrücklich war, dass in den übereinander liegenden Besiedlungsschichten die steinummantelten Öfen mehrfach am gleichen Ort erbaut wurden. In einem der mittelbronzezeitlichen Strata wurde ein mit Bronzepartikeln und vielfältigen Rückständen reich gefülltes Schmelzgefäß gefunden.

Das auf dem Tall - durch die Quelle und die im Winter und Frühjahr heftigen Regenfälle - reichlich vorhandene Wasser scheint spätestens nach dem katastrophalen Hangrutsch ein wesentliches Thema gewesen zu sein. Neben drei senkrechten, steinernen Abwasserschächten (zwei wurden bis auf eine Tiefe von reichlich 2 m nachverfolgt) wurde ein auf mehr als 10 m erhaltener ebenfalls steinausgekleideter und mit flachen Steinen abgedeckter Abwasserkanal ausgegraben. Sein beeindruckendes Durchlassvolumen ähnelt dem einer Cloaca maxima in der benachbarten – aber 1500 Jahre jüngeren Dekapolisstadt Gadara. Zwei Revisionsschächte gaben Zugang zum Kanal, um diesen reparieren und warten bzw. reinigen zu können.

Ausblick
Für die Sommerkampagne planen wir die weitere Ausgrabung der Mittelbronzezeit-Strata. Die Untersuchung des spätbronzezeitlichen Hofhauses im Norden von Areal I und die Ausgrabung des nur noch 10 m breiten Bereiches zwischen den Arealen I und II wird dann im Frühjahr 2011 in Angriff genommen werden.

Dank
Wir danken unserem Grabungsteam, den Senior-Volontären, den arabischen Mitarbeitern aus Umm Qais und den Volontären der Thomas-Morus-Akademie für ihr unermüdliches Mitdenken und Mitarbeiten. Unseren Geldgebern, der Gerda-Henkel-Stiftung, der Dr. Jackstädt-Stiftung, dem Freundeskreis des Biblisch-Archäologischen Instituts Wuppertal und dem Deutschen Evangelischen Institut für Altertumswissenschaft sind wir zu außerordentlichem Dank verpflichtet.

Stand der Information: 2010

AKTUELLER HINWEIS (2017)

 

Ausführlich werden die Ergebnisse

der Grabungskampagnen von 2003 bis 2011

in der Endpublikation dargestellt.


Projektpartner

Biblisch-Archäologisches Institut Wuppertal   (BAI
Deutsches Evangelisches Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes   (DEI)

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Schirmherrschaft

His Royal Highness Prince El Hassan bin Talal übernimmt als Vertreter des Könighauses die Schirmherrschaft

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Freunde und Förderer

  • Gerda Henkel-Stiftung, Wuppertal
  • Förderverein DEI
  • Kirchliche Hochschule Wuppertal

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