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Tall Zira'a > Kampagnen > Ausgrabung FJ '09
07.11.2024

 

 

7. Ausgrabungskampagne Frühjahr 2009

Die Frühjahrskampagne 2009 auf dem Tall Zira'a wurde vom 3. März bis 15. April 2009 durchgeführt. Im Zentrum der Forschungen standen die Areale I im Westen und II im Norden des Talls, während die Arbeit am Areal III erst 2010 fortgeführt wird.

Areal I (Späte Bronzezeit)

In Areal I war im Jahr 2008 auf etwa 1000 m² Fläche die jüngste der spätbronzezeitlichen Städte erreicht und freigelegt worden. Seither war dort auf einer Höhe von etwa -22,90 m NN ein beeindruckender Stadtgrundriss incl. mehrerer Hofhäuser, zweier angeschnittener Mega-Häuser, einer kleinen Toranlage, einer Kasemattenmauer sowie eines Turmes mit Torheiligtum zu sehen. Um die frühere Bebauung dieses Bereiches zu klären, wurde 2009 der zentrale, durch die Kasemattenmauer geschützte Bereich abgenommen und bis auf die Ebene der älteren spätbronzezeitlichen Bebauung abgetragen.

Damit wird der weite Weg durch die Stratigrafie des Talls konsequent fortgesetzt, der durch die nächsten Jahre noch bis in die Mitte des 4. Jahrtausends v. Chr., d.h. in die frühe Bronzezeit, führen wird. Der Stufenschnitt am Westhang von Areal I ermöglicht die Höhenmessung der verschiedenen Kulturschichten (Messpunkt und omayyadische Bebauung bei -17.04 m NN): die ältere spätbronzezeitliche Bebauung gründet bei ca. -24,50 m NN, die drei mittelbronzezeitliche Ebenen bei ca. -25,40, -26,05 bzw. -26,35 m NN. Neben weiteren Strata befindet sich eine inzwischen etwa 3 m anstehende frühbronzezeitliche Ummauerung bei -31,20 m NN.


Das große Nichts - Füllschichten unter der Kasemattenmauer - dahinter: Reste der Spätbronzezeitlichen Strata nach dem Hangrutsch

Auf den Spuren einer antiken Katastrophe

Schon 2008 waren unter der inzwischen abgetragenen Kasemattenmauer der jüngeren Spätbronzezeitschicht der Verlauf eines ehemaligen Wasserkanals und die Innenkante einer Hangbefestigung sichtbar geworden. Diese Baukörper waren schnell erreicht, gehörten aber nicht - wie zuvor angenommen - zu einer geschlossenen spätbronzezeitlichen Stadtbebauung, sondern bildeten vielmehr den Endpunkt einer aufwändigen Rekonstruktion der Stadt-/Hangbefestigung im Westen der spätbronzezeitlichen Stadt. Innerhalb des vom nördlich gelegenen Megahaus zum Fallschacht führenden Kanals war zunächst nur eine etwa 8 m breite Pflasterung erkennbar. Diese basierte auf sechs Schüttschichten mit einer Höhe von insgesamt etwa 2,50 m, die jeweils durch sorgfältige Pflasterungen waagerecht stabilisiert und verdichtet wurden. Hangseitig mündeten die Pflasterungen konstruktiv in einer breiten, sorgfältig gesetzten Mauerstruktur, die von ihren Ausmaßen auch mit einer Stadtmauer verglichen werden könnte. Da allerdings die Keramik der Schüttschichten zu weit über 75% aus frühbronzezeitliche Scherben bestand, ist dieses Füllmaterial offenbar vom Fuße des Talls herbeigeschafft und an dieser Stelle für die aufwendige Gründung der spätbronzezeitlichen Stadt aufgeschüttet worden. Die hoch anstehende Mauer wurde sukzessive mit den Schüttschichten als deren Rückhaltemauer aufgebaut. Auch das in seiner Gänze noch bis 2010 zu erforschende spätbronzezeitliche Megahaus im Norden des Areals wurde sorgfältig durch die aufgeführten Schüttschichten gesichert. Da selbst ein Tabun auf einer der Pflasterungen aufgefunden wurde, kann man annehmen, dass zwischen den einzelnen Aufschüttungen wohl jeweils eine längere Zeit gelegen haben wird, die (im jahreszeitlichen Wechsel?) die Chance zur korrekten Verdichtung des Materials und damit der Schüttung insgesamt gaben. Außerdem waren einzelne waagerechte Pflasterschichten ihrerseits mit relativ unbedeutenden architektonischen oder funktionalen Strukturen verknüpft, deren Sinn aber nicht ergründet werden konnte.

Schütt- und Pflasterschichten im Profil, oben: Reste der Abflusskanäle des jüngsten SB-Stratum

Diesen sorgfältigen Fundamentierungsarbeiten der Spätbronzezeit war ein riesiger Erdrutsch vorausgegangen, der noch weit über Areal I nach Norden ausgegriffen hat und vermutlich durch ein Erdbeben oder durch Ausschwemmung durch Wasser verursacht wurde. Hinweise auf eine kriegerische Eroberung waren nicht zu finden. Reste der älteren spätbronzezeitlichen Strata wurden im östlichen Bereich von Areal I aufgefunden und sorgfältig untersucht. Sie zeigten noch ein plastisches Bild der Katastrophe: durchgerissene Mauern, abgerissene Fußböden, abgestürzte Räume... Die Hangrutschunghat während der vorletzten spätbronzezeitlichen Bebauungsphase auf dem Tall stattgefunden. Nach der oben geschilderten gewaltigen Wiederaufbauleistung scheinen sich die Eigentumsverhältnisse allerdings nicht geändert zu haben, denn das bis 2008 ausgegrabene jüngste Stratum baute auf zwei von der Katastrophe unberührten Außenmauern wieder auf und rekonstruierte ein ähnlich geschnittenes Hofhaus an gleicher Stelle, incl. eines steinernen Ofens im gleichen Raum. Während der Frühjahrskampagne 2009 konnten im selben Bereich zwei weitere spätbronzezeitliche Städte nachgewiesen werden, die im bereits zerstörten Zustand vom Erdrutsch ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen wurden. Damit sind vier spätbronzezeitliche städtische Siedlungen in Areal I nachgewiesen.

Areal I (Stufenschnitt)

Zur Klärung der Befundlage in Areal I erschien es nötig, den 2005 begonnenen Stufenschnitt am Westhang des Talls zu erweitern. Hier wurden unter einer mittelbronzezeitlichen(?) Stadtmauer zwei weitere (bereits 2006 nachgewiesene) mittelbronzezeitliche Strata (Wohnbebauung) erkundet. Von der frühbronzezeitlichen Bebauung ist die nunmehr bis auf 3 m Höhe ausgegrabene Stadtmauer besonders erwähnenswert. Im Bereich des Stufenschnittes wurde sie durch spätere (mittelbronzezeitliche?) Bautätigkeiten sichtlich gestört. Ein sorgfältig gesetzter senkrechter Wasserschacht inklusive des für seine Erbauung notwendigen Fundamentschachtes und -grabens durchschlägt die Stadtmauer und ist im heutigen Ausgrabungsniveau hangseits abknickend gut nachzuweisen.

Areal I (Klassische Zeit und Eisenzeit IIB)

Im Frühjahr 2007 war im Norden des Areals ein kleiner Teil des dort befindlichen Megahauses entdeckt und 2008 weiter erkundet worden. Das aufwendig gebaute (und wie wir inzwischen wissen, ausgesprochen sorgfältig gegründete) Haus soll in seiner gesamten Anlage erkundet werden. Dazu waren im Sommer 2008 die Voraussetzungen gelegt und im Frühjahr 2009 die Ausgrabungen begonnen worden. Folglich wurden während der zurückliegenden Kampagne in 2009 auf 725 m² (wie schon im zuvor erkundeten Bereich von Areal I) Reste omayyadischer, römisch-byzantinischer, hellenistischer und eisenzeitlicher Bebauung erforscht.

Bisher wurde neben einem omayyadischen Hausbau eine geschlossene römisch-byzantinische Besiedlung ausgegraben, die reiche Funde bescherte. Erstaunlich ist, dass in der hellenistischen Phase neben den für Areal I üblichen Vorratsgruben - auch in 2009 wurden vier sorgfältig gebaute, steinausgekleidete Silos nachgewiesen - nun auch Hausarchitektur nachgewiesen werden konnte, die im nahegelegenen Areal II bereits durch die letzten Jahre erforscht wurde.

Im Frühjahr 2009 konnte das vortrefflich arbeitende Team bereits im Norden des Bereichs in die frühe Phase der eisen-II-zeitlichen Bebauung vorstoßen. Hier wurden neben der Stadtmauer vor allem sehr gut erhaltene Öfen (Tabune) aufgefunden, wobei das Fußbodenniveau nur an sehr wenigen Stellen bereits erreicht werden konnte. Zwei fast vollständige, vielfach isolierte Öfen wurden genauer untersucht und Materialproben zur archäometrischen Untersuchung gezogen. Überraschenderweise besaßen etwa 6 der 14 Öfen nachweislich einen kugelförmigen Aufbau. Bei zwei Öfen konnte in der Aschefüllung im Ofen noch die ehemals in der Glut stehenden viel(!)-henkeligen Kochtöpfe aufgefunden werden. Auch diese sollen archäometrisch untersucht werden. Neben vielfachen Fayence- und Metallfunden und einem weiteren Rollsiegel sind in 2009 vor allem die Münz- und die Schmuckfunde (insbesondere Anhänger und Perlen aus verschiedensten Materialien) aus Areal I hervorzuheben.

Areal II

Im Areal II sind seit 2006 fünf architektonische Strata von der Hellenistischen bis zur Omayyadischen Periode freigelegt worden. Als Schwerpunkt der Frühjahrskampagne 2009 war hier zu klären, welche Ausdehnung die Architekturreste der einzelnen Strata haben; besonders interessierte uns das große Bauwerk aus der Römisch-Byzantinischen Epoche (Stratum 3). Alles in allem wurden 625 m² neu geöffnet, so dass die gesamte Fläche im Areal II nun 1575 m² erreicht hat.


Im ältesten Stratum (5) zeigt sich eine große, in Ost-West-Richtung verlaufende Mauer mit einer Breite von 2,2 m. Sie gehört wahrscheinlich zur Hellenistischen Bauphase und hat bisher keine Verbindung zu anderen Bauteilen.

Stratum 4 ist durch Architekturreste charakterisiert, die in SW-NO-Richtung verlaufen und aus mindestens vier verschiedene Bauphasen stammen. Nach einen Zerstörung wurden die Häuser auf den Resten der früheren erneut aufgebaut - mit einer leicht unterschiedlichen Orientierung der Mauern, so dass diese klar differenziert werden können. Die Häuser sind durch das spätere, große Gebäude aus Stratum 3 stark gestört, so dass nur kleine Teile identifiziert werden können. In dieser Saison konnten allerdings zwei fast vollständige Häuser ausgegraben werden. Sie bestehen aus einen großen Raum von etwa 5 x 5 m mit einem Eingang an der Ostseite und sind nach Südwesten orientiert. Da die Häuser in diesem Stratum nicht miteinander verbunden sind, ist es schwierig, die verschiedenen Bauphasen eines Hauses mit den anderen in Beziehung zu setzen. Jedoch die Orientierung der Architekturreste und die Abfolge der Bauphasen ermöglicht die Interpretation in den meisten Fällen.

Die Architektur des Stratum 4 wird von dem großen Baukomplexes aus Stratum 3 geschnitten. Er zeigt eine völlig andere Orientierung, vorwiegend in N-S-Richtung. Zwei parallele Reihen von großen Räumen und Höfen sind verbunden durch einen langen Hof oder ein Vestibül. Diese Gebäude kann in die Römisch-Byzantinische Periode datiert werden.
Nach einer Zerstörung - vielleicht durch ein Erdbeben - wurden einige architektonische Änderungen durchgeführt. Die noch existierenden Mauern wurden wieder verwendet und der Baukomplex wurde im Süden, Westen und Osten um mehrere Räume vergrößert. Dies führte vom planmäßig ausgeführten Gebäude zu einer Agglomeration von Räumen und Höfen, wobei die N-S-Ausrichtung beibehalten wurde. Diese Änderungen sind in die Spätbyzantinische Periode zu datieren.

Das Stratum 2 zeichnet sich aus durch die Verstärkung einiger Mauern der älteren Gebäude und ein vollständig neues Gebäude im Westen des Areals II. Dieses ist SW-NO orientiert und besteht aus 2-3 Räumen. Ein großer Raum von 6 x 6 m hat einen Eingang im Nordwesten, der zu einem zweiten, im Südwesten angrenzenden Raum führt. Dieser Raum konnte nicht vollständig ausgegraben werden. In einer späteren Bauphase ist ein kleiner Raum mit einer massiven Steinmauer gegen die äußere Seite der Nordost-Mauer gesetzt worden. Stratum 2 lässt sich in die Spätbyzantinische oder Omayyadische Periode datieren.

Im obersten Stratum (1) wurden Gruben gefunden, die zum Teil Keramik aus der Mamelukischen Periode aufwiesen. Bebaut war das Areal in dieser Phase jedoch nicht.

Ausblick

Im Sommer 2009 ist ein Survey im Wadi al-'Arab geplant, der die klassische wie die vorklassische Situation des Tall in seinem natürlichen Umfeld erforschen soll. Im Frühjahr der Jahre 2010 und 2011 werden die wichtigsten Desiderate im Bereich von Areal I bis hin zur mittleren Bronzezeit erforscht, so dass in 2012 die Publikation der bisherigen Ausgrabungen erfolgen kann.

Probleme

Leider kommt es immer wieder zu Zerstörungen in den Arealen durch Besucher, Picknick veranstaltende Familien oder auch schatzsuchende Anwohner. Der dankenswerterweise vom jordanischen Antikendienst zur Verfügung gestellte Wächter scheint an manchen Tagen angesichts der großen Menge neugieriger Besucher mit der stetigen Bewachung des Talls überfordert zu sein.

Dank

Herzlicher Dank gebührt allen uns unterstützenden Institutionen und Förderern: dem Antikendienst (Department of Antiquities of Jordan) für die freundliche Genehmigung unserer Ausgrabung, der Gerda-Henkel-Stiftung Düsseldorf für die großzügige Unterstützung sowie dem Freundeskreis des BAI Wuppertal und dem DEI Jerusalem/Amman für die langfristige und konsequente Ermöglichung unserer erfolgreichen Arbeit auf dem Tall. Ebenso herzlich danken wir all unseren Mitarbeitern sowie den Volontären der Thomas-Morus-Akademie Bensberg (bei Köln).

Stand der Information: 2009

AKTUELLER HINWEIS (2017)

 

Ausführlich werden die Ergebnisse

der Grabungskampagnen von 2003 bis 2011

in der Endpublikation dargestellt.


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